versorger_
Stromtarife.de-Home >> Strom-Meldungen >> IWR-Pressedienst >> Veranstaltungen >> Strom-Tarifrechner >> Jobs

11.09.2013, 08:07 Uhr

Trotz Atomausstieg: Deutschland exportiert Kernbrennstoff im großen Stil

Hamburg – In Deutschland werden auch nach Abschaltung des letzten Atomkraftwerks weiterhin Brennelemente für den Export hergestellt. Das Wirtschaftsmagazin "Plusminus" deckte auf, dass die Urananreicherungsanlage in Gronau und die Brennelementefabrik in Lingen unbefristete Betriebsgenehmigungen erhielten. Gefahren gehen auch von den zahlreichen Uranhexafluorid-Transporten durch das Land aus.

Ein aktueller Antrag des Landes Nordrhein-Westfalens im Bundesrat, das Atomgesetz zu ändern, um die Urananreicherung in Deutschland zu beenden, wurde auf unbestimmte Zeit vertagt. Schon 2011 hatte die Länderkammer einen Ausstieg ohne Ausnahmen gefordert: "Die Unterstützung der Atomenergienutzung im Ausland bei gleichzeitigem Ausstieg aus der Atomenergienutzung im Inland aus dem Bewusstsein der Unverantwortbarkeit der Atomenergie ist politisch und moralisch widersprüchlich und nicht hinnehmbar."

Von der Bundesregierung, die nach dem Fukushima-Unglück 2011 in Windeseile des Ausstieg aus dem Atomausstieg wieder rückgängig gemacht hatte, kam nur eine lapidare Antwort: "Eine generelle gesetzliche Stilllegung aller kerntechnischer Anlagen in Deutschland ist nicht angezeigt." Genauer wird das Bundeswirtschaftsministerium in einer Stellungnahme für das Magazin: "Eine Stilllegung von Anlagen in Deutschland würde zu einem Verlust von hoch qualifizierten Arbeitsplätzen in einer strukturschwachen Region führen und die Wettbewerbsfähigkeit in diesem Hochtechnologiebereich der deutschen Industrie und des Wirtschaftsstandorts Deutschland schwächen."

Transporte gehen munter weiter

Das bedeutet, dass nach dem Willen der Bundesregierung auch nach dem deutschen Atomausstieg die deutsche Urananreicherungsanlage weiterproduzieren wird. 365 mal im Jahr erreicht zurzeit das gefährliche Uranhexafluorid (UF6) per LKW die Anlage im westfälischen Gronau. Dabei handelt es sich um eine chemische Umwandlung von Uran.

Uran wird vor allem in Minen in Kasachstan, Kanada, Australien und dem Niger abgebaut. In der Urananreicherungsanlage in Gronau wird das spaltbare Material in seiner Konzentration erhöht und an 50 Kunden in 17 Länder geliefert. Das dabei anfallende abgereicherte Uran wird unter freiem Himmel gelagert -derzeit rund 9.000 Tonnen. Genehmigt ist dort die zeitlich unbegrenzte Lagerung von insgesamt 38.100 Tonnen.

Der Anlagenbetreiber Urenco, teilte zur Gefahr eines Flugzeugabsturzes mit, dass die Behälter, in denen UF6 im Freilager lagere, nur zu zwei Dritteln befüllt seien. Bei einem voll umschließenden Feuer, das 25 Minuten andauere, könnten diese Behälter bersten. Urenco habe jedoch Sicherheitssysteme, damit brennendes Kerosin in wenigen Minuten abfließen könne und ein Brand deutlich kürzer als 25 Minuten andauere.

Hochgiftiges Material

Uranhexafluorid ist eine leicht flüchtige, äußerst giftige, radioaktive und korrosive Verbindung. Aus dem Stoff kann eine der gefährlichsten Säuren entstehen, warnt der Atomphysiker Dr. Sebastian Pflugbeil gegenüber "Plusminus". Bereits bei einer Temperatur von 56,5 Grad wird es gasförmig. Gelangt es in die Umwelt, wird es beim Kontakt mit Flüssigkeit zum Beispiel im menschlichen Organismus zur gefürchteten Flusssäure, die sogar Glas zersetzen kann.

Das gefährliche Material wird regelmäßig durch die Bundesrepublik transportiert. Während der Dreharbeiten von "Plusminus" am 12. August 2013 wurde auf dem Gelände der Urananreicherungsanlage ein Zug mit abgereichertem Uran beladen. Über Koblenz wurde das Material in diesem Fall nach Südfrankreich gefahren. Durchschnittlich gibt es laut Urenco ein bis zwei Zugtransporte pro Monat.

Die Furcht vor einem schweren Unfall mit dem Material ist augenscheinlich begründet. Am 1. Mai befand sich Uranhexafluorid an Bord des Frachters Atlantic Cartier, der im Hamburger Hafen lag. 500 Meter entfernt wurde gerade der Kirchentag mit Zehntausenden Besuchern eröffnet, als der Frachter Feuer fing. Per Kran konnten Behälter mit dem Material aus dem brennenden Frachter entfernt werden.

Kernbrennstoff-Export in alle Welt

Eine Liste, die "Plusminus" vorliegt, zeigt, dass allein im März 2013 neun Mal radioaktives Material durch den Hamburger Hafen transportiert wurde. Wenn Uran zur Weiterverarbeitung verschifft wird, ist häufig nicht bekannt, aus welchem Abbaugebiet es stammt oder wofür es bestimmt ist, kritisiert Uranexpertin Astrid Schneider. Wie viel Uran in Deutschland angereichert und verarbeitet wird, ist auch dem Bundesamt für Strahlenschutz nicht bekannt, heißt es auf Anfrage.

Uranhexafluorid aus Gronau wird auch in das knapp 60 Kilometer entfernte Lingen transportiert, in Deutschlands Brennelementefabrik. Hier wird das angereicherte Uran in Tabletten gepresst und in Röhren gefüllt, die zusammen ein Brennelement ergeben. 70 Mal im Jahr verlassen Transporte mit Brennelementen die Fabrik. Geliefert werden sie nach Frankreich, Schweden, Finnland, Belgien, in die Niederlande, die Schweiz, nach Spanien und nach China.

Auch die Produktion von Brennelementen ist unbefristet genehmigt. Die regelmäßigen Transporte von Uranhexafluorid und Brennelementen durch Deutschland werden also nach dem Atomausstieg weitergehen. Für den Atomexperten Dr. Sebastian Pflugbeil ein absurdes Phänomen: "Wenn man wirklich davon überzeugt ist, dass man da raus muss und sich wünschen würde, dass auch die anderen Staaten dem folgen, dann ist doch das letzte, dass man die jetzt mit Brennstoff versorgt."

Der Beitrag wird am Mittwochabend (11. September) um 21.30 Uhr im Ersten ausgestrahlt.


© IWR, 2013

Mehr Nachrichten und Informationen zum Thema

© IWR




zurück

Energiejobs

Trianel GmbH sucht: Teamleiter:in Technik & Realisierung | Onshore Wind (m/w/d) Netz Leipzig GmbH sucht: Abteilungsleiter (m/w/d) Netzführung

Pressemitteilungen

VSB Gruppe erneut als Top Company von kununu ausgezeichnet ENOVA steigt als Repowering-Experte in den ehemals größten Windpark Europas in Midlum ein