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15.06.2000

Atomausstieg: Richtungsentscheidung für eine moderne Energieversorgung

Michael Müller, SPD-Bundestagsfraktion, erklärt:

Die Atomenergie ist eine der staerksten Wirtschaftsbranchen in Deutschland, sie geniesst einen oekonomisch und politisch privilegierten Raum. Die Strukturen dieser Verbundwirtschaft erschweren eine sichere und umweltvertraegliche Energieversorgung. Sie lassen Energieeinsparung, rationeller Energieverwendung und regenerativen Energien nur wenig Raum. Nun ist das Ende eingeleitet, obwohl es aus Sicht der SPD wie der Bundesregierung besser gewesen waere, einen kuerzeren Zeitraum als 32 Jahre zu erreichen. Das aber ist der Preis des Konsenses, der lange und riskante rechtliche Auseinandersetzungen ausschliessen soll.

Diese Richtungsentscheidung gegen Atomstrom ist ueberfaellig, denn sonst droht die Bundesrepublik zu einem reinen Stromhandelsland ohne eigene Energieerzeugung zu werden. Diese Gefahr droht, denn es gibt auf Dauer keine Chance, gegen die hohen Ueberkapazitaeten auf dem europaeischen Strommarkt und vor allem gegen die Billigangebote von Atomstrom aus Mittel- und Osteuropa zu bestehen.

Unabhaengig von der jeweiligen Regierung hat die Atomenergie in unserem Land keine Zukunft. Sie ist sowohl in den Investitionen als auch in den Stromgestehungskosten teurer als Alternativen. Und keine Atomtechnik kann die im deutschen Atomgesetz - noch von der Regierung Kohl vorgegeben - die Sicherheitsstandards erfuellen. Schliesslich ist der Bau eines neuen AKW auch gegen den Widerstand der Bevoelkerung nicht durchzusetzen.

Jetzt werden sich die Fraktionen und der Bundestag mit den Vereinbarungen beschaeftigen. Fuer die SPD wird es vor allem um drei Fragen gehen:

1. Der Ausstieg ist in erster Linie mit den Sicherheitsrisiken dieser Technologie begruendet. Deshalb darf es keinen Stillstand geben, die Sicherheitsstandards nach dem Stand der Technik fortzuschreiben, zumal das seit 1994 geltende Atomgesetz weitaus hoehere Anforderungen stellt.

2. Es kann kein Stillhalten in der Modernisierung der Energieversorgung geben. Die grosse Nachfrage nach neuen Energietechniken zeigt, welche Chancen diese Zukunftsmaerkte haben. Sie duerfen nicht von der untergehenden Dinosauriertechnologie Atomkraft blockiert werden.

3. Schliesslich muss verhindert werden, dass der Ausstieg aus der Atomkraft durch Atomstromimporte ausgeglichen wird. Das erfordert, den Umbau der Energieversorgung zu beschleunigen.

Ausstieg und Umbau gehoeren zusammen. Deshalb wird die SPD den Schwerpunkt auf Energiedienstleistungen und erneuerbare Energien legen. Die Bundesrepublik soll, das ist die Absicht der SPD-Bundestagsfraktion, weltweit zum Vorreiter fuer die modernen Energiemaerkte werden. Das ist auch notwendig, um beim Klimaschutz voranzukommen.

Die Kritik der bayerischen Staatsregierung an diesem Vertrag ist – wie meist aus Muenchen – kurzsichtig, masslos und scheinheilig. Denn:

· Die Atomenergie hat keine Zukunft. Seit Mitte der  achtziger Jahre sind weitaus mehr Atomkraftwerke vom Netz gegangen als neue hinzugekommen. Die Zukunft heisst Einsparen und Solarenergie, nicht aber die verschwenderische und ineffiziente Atomkraft. Deshalb muss jetzt die Energiewende eingeleitet werden, auch um Erzeugung, Beschaeftigung und Umweltschutz in der Bundesrepublik unter den Bedingungen liberalisierter Energiemaerkte zu sichern.

· Der Konsens kommt den Interessen der Atomkraftbetreibern entgegen, die sogar die bayerische Staatskanzlei auffordern, das Ergebnis zu akzeptieren. Welche Interessen vertreten Stoiber, Huber und andere, die seit Monaten hinter den Kulissen versuchen, die Verhandlungen zu blockieren?

· Es ist unehrlich, wenn CSU, aber auch CDU kritisieren, dass die Laender nicht an den Verhandlungen beteiligt waren. Vielmehr raecht sich jetzt ihre eigene Strategie. Die Unionsparteien haben in der Regierung Kohl systematisch durch die Novellierungen den Atomgesetzes die Mitspracherechte der Laender weitgehend abgebaut. Und es ist auch nicht ueberzeugend, wenn Herr Huber die Atomkraft als wichtigste Zukunftsenergie hinstellt, aber gleichzeitig in Bayern kein Zwischenlager akzeptieren will.

Jetzt sind die Tueren fuer eine gute Energiezukunft geoeffnet worden, auch wenn der Konsens nicht alles das erfuellt, was die SPD gefordert hat. Wir werden jetzt sorgfaeltig darueber in der Fraktion beraten. Das kurze Kapitel der teuren Atomenergie wird beendet.