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21.08.2000


SFV: Zum Richtlinien-Vorschlag der EU-Kommission

Der Solarenergie Förderverein Aachen (SFV) hat zum Richtlinien-Vorschlag der EU-Kommission zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen (EE) im Elektrizitätsbinnenmarkt (http://h.kronberger.tripod.com/rlvorschlag.htm) Stellung genommen:

"Von der Sache her geht es um die Verminderung der CO2-Emissionen gemäß Kyoto-Protokoll durch Förderung der Strom-ERZEUGUNG aus EE. Dies ergibt sich auch aus der Überschrift des Entwurfs und dem ersten Absatz der Begründungs-Einleitung. Diesem Ansatz könnten wir zustimmen, doch im weiteren Text der Richtlinie ist aus der beabsichtigten Förderung der ERZEUGUNG die Förderung des VERBRAUCHS von EE-Strom geworden und hier widersprechen wir energisch! Durch die scheinbar nur geringfügige Zieländerung von Erzeugung auf Verbrauch ergibt sich eine Fülle komplizierter selbstgeschaffener Probleme, die dann im Richtlinienentwurf mühsam bzw. überhaupt nicht gelöst werden. Darauf soll unsere Stellungnahme aufmerksam machen. Eine Zusammenfassung und unseren Änderungsvorschlag finden Sie am Ende dieser Mail. Der inkonsequente Gebrauch bzw. der Austausch der Begriffe Erzeugung und Verbrauch geht bereits auf das Weißbuch zu den erneuerbaren Energien zurück. Er ist aber unseres Wissens bisher noch nicht - zumindest nicht im Kreise der Umweltbewegung - als Ursache für irgendwelche Probleme aufgefallen. Es mag deshalb wie Pedanterie oder Rechthaberei wirken, wenn wir jetzt einen scheinbar akademischen Streit um die Frage anzetteln, was denn nun gefördert werden soll, die ERZEUGUNG oder der VERBRAUCH von EE-Strom. Unsere Kritik müssen wir deshalb schon ausführlich begründen: 1. Handelsfragen erhalten ein ihnen nicht zukommendes hohes Gewicht Nationaler Gesamt-Stromverbrauch und nationale Gesamt-Stromerzeugung sind keinesfalls gleich hoch. Da die elektrischen Netze sowohl Binnengrenzen als auch Außengrenzen der Gemeinschaft überqueren, muß der Handel zwischen den Staaten und mit außereuropäischen Staaten mit berücksichtigt werden. In Luxemburg z.B. wird fast kein Strom erzeugt, aber durchaus Strom verbraucht. Der Strom kommt zur Zeit vom RWE aus Deutschland. "'Elektrizitätsverbrauch' ist die inländische Stromerzeugung zuzüglich Einfuhren, abzüglich Ausfuhren" (Artikel 2, 4. der Richtlinie) Hier werden Einfuhren und Ausfuhren ins Spiel gebracht. Aus einer Angelegenheit des Umweltschutzes wird eine Angelegenheit des Handels. Daraus ergeben sich neue Zuständigkeiten. Die Angelegenheit insgesamt wird erheblich komplizierter. Dies wäre nicht nötig, wenn man sich auf die Förderung der ERZEUGUNG von Strom einigen könnte. 2. Das in der Fläche liegende Potenzial wird nicht genutzt Hier wieder das Beispiel Luxemburg: Luxemburg könnte allein durch Ökostromhandel seinen Anteil am Verbrauch von Strom aus erneuerbaren Energiequellen beliebig steigern, ohne auch nur eine einzige Solar-, Wind- oder Biomasse-Anlage zu installieren. Das Land würde sich dann zwar finanziell am Ausbau der EE beteiligen, doch bliebe das große Luxemburger Biomasse-Potenzial oder das große Dachflächen-Potenzial im Kern Europas ungenutzt. 3. Es gibt kein Produkt "EE-Strom" Ein sehr grundsätzliches Problem liegt in der Materie selbst. Wenn ökologisch "erzeugte" Haferflocken verkauft werden, so kann die zugesicherte Eigenschaft im Bedarfsfall durch eine chemische Analyse auf Pestizide überprüft werden. Ob Teppiche in Kinderarbeit geknüpft wurden, ist schon schwieriger zu entscheiden, aber es ist prinzipiell möglich. Ein Teppich ist entweder in Kinderarbeit geknüpft oder nicht. Anders ist es bei Strom! Ob Strom aus erneuerbaren Energiequellen stammt, kann, nachdem er in das öffentliche Netz eingespeist wurde, auch mit den aufwendigsten Meßgeräten nicht festgestellt werden. Physiker vertreten bei solchem Sachverhalt die Ansicht, dass es ein Ding, welches man meßtechnisch nicht nachweisen kann, dann im physikalischen Sinne auch nicht gibt. Wer mit einer Europaweit verpflichtenden Richtlinie ein Produkt zu einem höheren Preis als dem Marktpreis in den Handel bringen will, sollte also wenigstens eine Eigenschaft nennen können, in der sich das neue Produkt vom bisher üblichen Produkt unterscheidet, doch das kann beim sogenannten "EE-Strom" niemand. Der elektrische Rasenmäher arbeitet nicht leiser, nicht rasenschonender, nicht "ökologischer", wenn er mit dem sogenanntem EE-Strom angetrieben wird. Worin sollte sich denn Strom auch unterscheiden? Fragt man dennoch weiter nach, so wird auf die CO2-freie ERZEUGUNG des Stroms verwiesen. Damit sind wir beim entscheidenden inneren Widerspruch: Die Richtlinie will den Verbrauch von Strom aus EE deshalb fördern, weil sie eigentlich die ERZEUGUNG dieses Stromes fördern will. "Warum dann nicht gleich!" sagte unser Lehrer in solchen Fällen. 4. Der Umweltentlastungseffekt ist mit der ERZEUGUNG verknüpft Der gewünschte Effekt besteht in der Verdrängung von konventionellem Strom aus dem Netz und in der Markteinführung der EE. Beide Effekte gehören in den Bereich der Dienstleistungen. Dadurch wird die Angelegenheit so schwer durchschaubar. Die Bezeichnung des aus EE hergestellten Stromes als "Ökostrom" oder als "grüner Strom" trägt zur Verwirrung bei. Tatsächlich wird nicht etwa ein höherwertiges Produkt mit dem Namen EE-Strom hergestellt, sondern ganz normaler Strom. Gleichzeitig wird jedoch eine Dienstleistung verrichtet, die aus umweltpolitischen Gründen und aus Gründen der Ressourcenschonung erwünscht ist und deshalb gefördert werden soll. Diese Dienstleistung kommt nicht etwa demjenigen zugute, der sie in Auftrag gibt, sondern sie kommt allen zugute. Nur bei der ERZEUGUNG von Strom aus EE sind Stromproduktion und Durchführung der Dienstleistung noch eng miteinander verbunden. Anschließend trennen sich ihre Wege. Der Strom, genauer gesagt die elektrische Energie, wird bei einem Käufer verbraucht, die Dienstleistung aber kommt allen zugute. Wer die Dienstleistung fördern will, muß deshalb bei der ERZEUGUNG von Strom aus EE ansetzen. 5. Zur Abschätzung des Verbrauchs muß ohnehin die Erzeugung gemessen werden Strom läßt sich nicht wie eine Rohrpost vom Erzeuger zu einem bestimmten Verbraucher dirigieren. Der Handel mit Strom entspricht eher der Überweisung von Geldbeträgen im Gironetz der Banken. Von wem der 100-Mark-Schein kommt, den ich aus dem Geldautomaten entnehme, ergibt sich aus dem schriftlichen Überweisungsformblatt. Von wem mein Strom kommt, ergibt sich aus einer kaufmännischen Vereinbarung mit meinem Stromlieferanten. Um den EE-Strom-VERBRAUCHs-Anteil eines Haushalts, einer Stadt oder eines Landes korrekt festzustellen, müssen deshalb die gesamten kaufmännischen Vereinbarungen aller Beteiligten berücksichtigt werden, einschließlich aller beteiligten europäischen und außereuropäischen Stromhändler. Auf diesem Wege sind alle beteiligten Erzeuger des EE-Stroms im In- und Ausland und die von ihnen ERZEUGTE Menge an Strom zu ermitteln. Auch beim Verfahren des Zertifikathandels müssen die Erteiler der Zertifikate von der ERZEUGTEN Strommenge ausgehen. Gäbe es zwei GLEICHWERTIGE Möglichkeiten, entweder die EE-Stromerzeugung oder aber den EE-Stromverbrauch zu messen und zu fördern, so ließe sich trefflich darüber streiten, welchem Verfahren der Vorzug zu geben sei. Wenn aber in beiden Fällen ohnehin die ERZEUGUNG ermittelt werden muß, und wenn es sogar erhebliche Mühe bereitet, daraus im zweiten Fall dann den Verbrauchsanteil abzuleiten, wäre es dann nicht sinnvoller, den ersten Fall, d.h. gleich die Erzeugung zugrundezulegen und zu fördern? 6. Verbrauchssteigerung bei EE-Strom bedeutet nicht immer Umweltentlastung Beim Handel mit EE-Strom entspricht den kaufmännischen Vereinbarungen häufig keine physikalische Realität und keine Umweltentlastung. Dazu ein Beispiel: Familie Meyer wechselt zu einem EE-Stromanbieter. Ab 1.1.2001, 00:00 Uhr erfolgt die Stromlieferung von Aqua-Power. Damit steigt der Verbrauch von sogenanntem EE-Strom in Deutschland an. An den physikalischen Verhältnissen im Netz ändert sich dabei aber überhaupt nichts, denn Aqua-Power hatte bereits vorher genügend Wasserkraftwerke in Betrieb, deren Strom bisher von ökologisch uninteressierten Kunden zum marktüblichen geringen Preis gekauft wurde. Jetzt ändert sich nur der Geldfluß; der "Geldstrom" von Familie Meyer fließt jetzt zu Aqua-Power. Dies hat leider keine Emissionsminderung zur Folge. Auch eine zuverlässige Zertifizierung, wie in Artikel 5 der Richtlinie gefordert, kann an diesem Tatbestand nichts ändern, denn Aqua-Power würde nach den Richtlinien ohne weiteres ein Zertifikat erhalten, hat wohl schon jetzt ein TÜV-Zertifikat. Ein Gegenbeispiel: Firma Müller nimmt bei Sonnenschein eine neue 100 kW-Solarstromanlage in Betrieb. Hier ändern sich die physikalischen Verhältnisse im Netz sofort: Eines der für die Regelung vorgesehenen konventionellen Kraftwerke vermindert vollautomatisch seine Stromproduktion um etwa 100 kW. Konventioneller Strom wird aus dem Netz gedrängt, die CO2-Belastung sinkt. Die Beispiele zeigen, ERZEUGUNG von Strom aus EE läßt sich meßtechnisch zweifelsfrei feststellen. Die Emmissionen werden bei der Einspeisung von EE-Strom ins Netz vermindert. Handel mit EE-Strom ist zur Verminderung der Emissionen nicht notwendig. 7. Betrugsmöglichkeiten beim angeblichen Verbrauch von EE-Strom Wir kennen wohl alle noch aus der Schule die eingekleideten Aufgaben aus dem Gebiet der Kombinatorik. Wenn fünf Leute, jeder mit jedem einmal die Hände schüttelt, wieviel Händedrücke sind zu verzeichnen. Und wenn hundert Leute beteiligt sind? Zieht man die große Zahl der beteiligten Akteure auf dem Strommarkt und ihre gegenseitigen, teilweise sogar grenzüberschreitenden Verflechtungen in Betracht und bedenkt man die verschiedenen Betrugsmöglichkeiten (Stromwäsche, Scheinlieferungen, Doppelzählung), so kann man getrost behaupten, es sei praktisch unmöglich, den Verbrauch an EE-Strom in den einzelnen Mitgliedstaaten auch nur annähernd korrekt zu ermitteln. Der Hinweis der Kommission, dies sei auch eine Sache des Vertrauens (Seite 8 oben) spricht Bände. Eine Betrugsmöglichkeit sollte hier angedeutet werden. Stromwäsche: Ein deutsches EVU, welches nur Kohlekraftwerke betreibt, verkauft 100 GWh Strom an ein Wasserkraftwerk in Rußland. Gleichzeitig kauft das deutsche EVU 100 GWh Wasserkraftstrom von dem russischen Wasserkraftwerk zurück und läßt sich eine Bescheinigung über Wasserkraftsstrom ausstellen. Nunmehr kann das deutsche EVU 100 GWh Wasserkraftstrom in Deutschland verkaufen und der nationale Verbrauch an EE-Strom steigt um 100 GWh. Dabei fließt physikalisch überhaupt kein Strom, die Stromleitung könnte sogar unterbrochen sein. Soweit einige Punkte unserer Begründung, warum und inwiefern die Förderung des Verbrauchs von EE-Strom Probleme bereitet. Zusammenfassung und Änderungsvorschlag Wir halten es für vordringlich, den Grundansatz zu korrigieren. Unsere Anregung lautet, in dem vorliegenden Richtlinienvorschlag sollten alle Passagen überarbeitet werden, die von dem Ziel ausgehen, den VERBRAUCH von EE-Strom zu fördern. Sie sollten auf die Förderung der ERZEUGUNG von EE-Strom umgestellt werden, können dabei teilweise sogar entfallen. Unabhängig davon halten wir es für wichtig, die angestrebte Steigerung der Stromerzeugung aus EE als MINDEST-Forderung zu deklarieren, damit nicht bei ihrer Überschreitung irgendwelche jetzt noch nicht vorhergesehenen Bremsmanöver den weiteren Ausbau als gemeinschaftswidrig erscheinen lassen. Die Forderung nach Steigerung der nationalen Erzeugung von Strom aus EE sollte prozentual auf den nationalen Gesamtverbrauch bezogen werden."