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15.09.2000


Arbeitsgruppe Kraft-Wärme-Kopplung (KWK):

Grundsatzpapier zur Kraft-Wärme-Kopplung in Deutschland - Verabschiedete Endfassung vom 01.09.2000:

Vorbemerkung:
Dieses Arbeitspapier soll Eckwerte zum Bestand und zum Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung in Deutschland präzisieren.

Es wurde erstellt und wird getragen von der Arbeitsgruppe KWK, bestehend aus
- VDMA Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer
- VKU Verband Kommunaler Unternehmen
- BUND Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschlands
- FG-BHKW Fördergemeinschaft Blockheizkraftwerke
- E5 European Business Council for a Sustainable Energy Future
- VIK Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft
- AGFW Arbeitsgemeinschaft Fernwärme
- IPPs Independent Power Producers/Contractoren

1. Was ist KWK?
Kraft-Wärme-Kopplung ist die gleichzeitige Umwandlung von eingesetzter Energie in elektrische (oder mechanische) Energie und in Wärme, die zur energetischen Nutzung bestimmt ist (Nutzwärme). Als in Kraft-Wärme-Kopplung erzeugte Elektrizität gilt gemäß derzeitiger Definition

(1) die Netto-Elektrizitätserzeugung der Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, deren jährliche Netto-Netzeinspeisung von elektrischer Energie und von zur energetischen Nutzung bestimmten Wärmeenergie mindestens 70 vom Hundert jährlich eingesetzten Brennstoffenergie (unterer Heizwert) beträgt oder

(2) bei Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen mit einer jährlichen Brennstoffausnutzung unter 70 vom Hundert das Produkt aus der zur energetischen Nutzung bestimmten Wärmenetzeinspeisung und der Stromkennzahl; die Stromkennzahl ist das Verhältnis der Erzeugung von elektrischer Energie zu Nutzwärme bei Volllast und bei der anlagenspezifisch maximal möglichen Wärmeauskopplung.

2. Bestand der KWK
KWK hat sich seit Beginn des Jahrhunderts in Deutschland stetig weiter entwickelt und umfasst heute mehrere tausend Anlagen mit
- Dampfturbinen/Dampfmotoren
- Gasturbinen
- Verbrennungsmotoren
in elektrischen Leistungsbereichen von wenigen kW bis über hundert MW.
Künftig kommen auch Brennstoffzellen hinzu, von denen es erst einige Demonstrationsanlagen gibt.

Bild 1 zeigt die Größenordnungen der Stromerzeugung aus KWK im Jahr 1998.

3. Situation der KWK im Jahr 2000
In der Folge der Liberalisierung des Strommarktes ist die KWK in eine bedrohliche Zwangslage geraten.
-
Die Auftragsvergabe für den Zubau von neuen KWK-Anlagen ist im Laufe des Jahres 1999 quasi zum Stillstand gekommen
- Der Bestand der KWK bröckelt sehr stark ab durch Stilllegung vorhandener Anlagen
- Diese Stillegungen kumulierten sich 1999/2000 in einer Größenordnung von über 200 MWel/Monat, d. h. über 2.400 MWel/Jahr.

Dieser Fadenriss betrifft alle Größenordnungen, Bauformen, Einsatzbereiche der KWK. Grund sind die in der deutschen Liberalisierung des Strommarktes überraschend auf ein Dumping-Preisniveau gefallenen Strombezugskonditionen für Großabnehmer, die nur noch mit abgeschriebenen Altanlagen in Grenzkostenbetrachtungen erreicht werden können (siehe Bild 2).

Entsprechend sind auch alle modernen KWK-Anlagen betriebswirtschaftlich notleidend geworden, die in den vergangenen zehn Jahren entwickelt, realisiert und zum Teil gefördert wurden.

4. Situation der KWK in Europa
Alle EU-Länder unterstützen die EU-Zielsetzung (Bericht der Kommission 1997 mit Billigung des EU-Minsterrates) einer Verdoppelung der KWK-Stromerzeugung bis 2010.

Im Quervergleich der EU-Länder stagniert der KWK-Anteil in Deutschland, während viele EU-Nachbarn in den letzten Jahren deutliches KWK-Wachstum registrierten (Bild 3).

5. Umweltbilanz der KWK
Die KWK ist das energie- und umweltmäßig effizienteste Instrument, über das die Energiewirtschaft verfügt.

Im Vergleich zur getrennten Erzeugung von Strom und Wärme in modernsten Kraftwerken und Heizkesseln lassen sich durch Umwandlung des gleichen Brennstoffes in KWK 10 bis 20 % an Energie oder CO2 einsparen. In der Praxis verdrängen neue KWK-Anlagen jedoch keinen Strom aus neuen Kraftwerken, sondern aus deutlich weniger effizienten alten Anlagen mit CO2-intensiveren Brennstoffen.

Im Ist-Zustand 2000 trägt die KWK mit ca. 30 Mio t/a zur CO2-Minderung und Umweltentlastung bei (siehe z. B. AGFW-Vorstudie).

Im Quervergleich mit anderen Maßnahmen zur Erreichung der CO2-Minderungsziele hat die KWK einen dominanten Stellenwert (siehe Bild 4 der interministeriellen Arbeitsgruppe 1997)).

6. Wachstumspotentiale der KWK in Deutschland
KWK-Zuwachs in Deutschland ist in den nächsten Jahren insbesondere in drei Bereichen möglich:

  • Zuwachs von KWK zu vorhandenen zentral erschlossenen Wärmeverbauchern, die allein im Heizwerksbetrieb versorgt werden; dies betrifft über 1.300 Heizwerke und Kesselhäuser im kommunalen und industriellen Bereich mit Wärmehöchstlasten über ca. 3 MW, bei denen eine KWK-Anlage in der Grundlast Benutzungsdauern über 4.000 h/a erreichen kann. Hierdurch ist ein Zuwachs von ca. 50 % des derzeitigen KWK-Bestandes ohne Aufbau neuer Netze möglich
  • Erhöhung der Stromkennzahl von vorhandenen KWK-Anlagen, wobei mit moderner Technik die Stromkennzahl von heute ca. 0,3 (bundesdeutscher Durchschnitt) auf Werte von 0,5 bis über 1 erhöht werden kann - insbesondere durch den Einsatz von Motoren und Gasturbinen, vor allem aber auch die Vorschaltung von Gasturbinen vor vorhandene Dampfturbinenprozesse. Hierdurch kann der KWK-Bestand mindestens verdoppelt, im günstigsten Fall auch verdreifacht werden
  • Aufbau von Nahwärme-Inseln in der kommunalen Versorgung, im Gewerbe, öffentlichen Einrichtungen, Verwaltungen und im Wohnbereich, wo auch Kleinanlagen wirtschaftliche Einsatzfelder finden.

Aus diesen drei Bereichen ist auch ohne aufwendigen Aufbau neuer Wärmenetze ein Ausbau der KWK auf das Mehrfache des Standes von 1998 möglich.

Beispiele europäischer Nachbarländer belegen die Ausbaumöglichkeit in diese Größenordnungen, sofern die betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen gegeben (Bild 5) und gesichert sind.

In Deutschland würde allein eine Verdoppelung bis zum Jahr 2010 bedeuten:

  • Erfüllung der Zielvorgaben der EU-Kommission/des Ministerrates
  • > 26 % des gesamten Stromaufkommens aus KWK (ca. 140 GWh/a bei 32000 MWel)
  • über 50 Mio t/a ersparter CO2-Emissionen
  • Gesamtinvestitionen von über 25 Mrd DM für den erforderlichen Zubau
  • Konjunkturpolitische Impulse im zukunftsorientierten Strukturwandel der Energiewirtschaft