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05.05.2000

Ausstieg aus der Atomkraft muss auch den Import von Atomstrom beenden
 

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Mueller, erklaert:

Die neue Energiepolitik der rot-gruenen Koalition zeigt bereits grosse Erfolge. Das Gesetz zur Foerderung der erneuerbaren Energien sprengt alle Erwartungen. Die Finanzmittel fuer die erneuerbaren Energien wurden massiv aufgestockt. Die fuer die Forschung sind auf 270 Millionen Mark erhoeht und die fuer die Anwendung auf rund 250 Millionen Mark verzehnfacht worden. Hinzu kommen die Zuschuesse und Kredite fuer das 100.000-Daecher- und Fassaden-Solarprogramm. Dennoch sind die fuer dieses Haushaltsjahr vorgesehenen Finanzmittel bereits erschoepft. Allein im April wurden so viele Antraege gestellt wie im gesamten letzten Jahr. Deshalb will die SPD die vorgesehenen Verpflichtungsermaechtigungen im Bundes-haushalt jetzt einsetzen, um weitere Mittel bereitzustellen.

Auch das Vorschaltgesetz fuer die Kraft-Waerme-Kopplung scheint bereits zu greifen. Es hat neues Interesse am Ausbau dieser umweltfreundlichen Technologie geweckt. Die Koali-tionsfraktionen wollen den Anteil der Eigenstromerzeugung in den naechsten 10 Jahren verdoppeln. 

Der ueberfaellige Umbau ist in Gang gekommen. Die Stagnation in der Energiepolitik, die unser Land jahrelang gelaehmt hat, ist ueberwunden. Deshalb wird die SPD beim Atomausstieg nicht dem Druck der Union nachgeben und sich auch nicht von dem Poker einiger Atomkraftbetreiber um Laufzeiten beeindrucken lassen. Die Blockadeversuche der unionsregierten Laender Hessen, Baden-Wuerttemberg und Bayern sind nur noch rueckwaertsgewandte Rechthaberei. Doch die Tueren sind geoeffnet fuer Innovationen und Modernisierung, die unser Land dringend braucht, um Erzeugung, Beschaeftigung und Umweltschutz in Deutschland zu sichern. Und die Unternehmen, die ueber den Tellerrand hinaus blicken, haben das laengst begriffen, denn das heutige Preisdumping auf den Energiemaerkten bietet auch fuer sie keine Perspektive. Der Umbau der Energieversorgung ist die grosse Zukunftschance fuer die technologische und wirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik.

Der Ausstieg wird sich deshalb nicht nur auf die deutschen Atomkraftwerke beziehen. Ausstieg heisst auch: Durch die Modernisierung der Energieversorgung wird Atomstrom in Deutschland uninteressant werden. Es waere widersinnig, die deutschen AKW mit einem vergleichsweise hohen Sicherheitsstandard abzustellen, aber Atomstrom aus Frankreich oder Mittel- und Osteuropa zu importieren. Deutschland soll der Standort fuer kostenguenstige Energiedienstleistungen und die umweltfreundliche Stromerzeugung werden. Das liegt im mittelfristigen Interesse von Wirtschaft, Beschaeftigung und Umwelt.

Derzeit drohen wegen der hohen Ueberkapazitaeten auf der Verbundebene Stromangebote unter den Gestehungskosten mit 1 bis 3 Pfennig pro Kilowattstunde. Insofern muss der Ausstieg auch regeln, dass es nicht zu einem ungleichen und unfairen Wettbewerb gegen die Zukunftstechnologien Energieeinsparung und Erneuerbare Energien kommt. Denkbar sind beispielsweise Zertifizierungen oder ein Energie-Audit, um die Herkunft von Strom kenntlich zu machen. Auch muessen die Ungleichheiten in der Preisgestaltung und durch die Oeko-Steuer sowohl zwischen den unterschiedlichen Energietraegern als auch zwischen den nationalen und auslaendischen Erzeugungsstandorten beseitigt werden. Eine funktionierende Marktwirtschaft setzt faire Wettbewerbsbedingungen voraus.

Die Koalitionsfraktionen stellen deshalb vor allem die Vorteile und Chancen des Umbaus heraus. Daraus ergibt sich die Dynamik, um zum Vorreiter fuer eine moderne Energieversorgung zu werden. Dies darf nicht durch die Hintertuer kaputt gemacht werden. Deshalb werden wir durch entsprechende Instrumente die Quoten, Internalisierung der Kosten und eine aktive Klimaschutzpolitik dafuer sorgen, dass der Ausstieg aus der Atomkraft vor allem zum Umbau in Energiedienstleistungen und erneuerbare Energien wird.